Bankkredite Inflation

vorwarf, daß sie nach der Fusion mit der Unionbank und der Verkehrsbank ihr Eigenkapital nicht erhöht hat, so könnte man der Creditanstalt vorhalten, daß diese Kapitalerhöhung im Herbst 1929 ungenügend war. Bei einer Bilanzsumme, die etwas höher war als vor 1914, betrugen Ende 1929 ihr Aktienkapital und ihre Reserven knapp die Hälfte ihres Vorkriegsvermögens, wobei noch zu berücksichtigen ist, daß vor 1914 die Industriebetriebe über größere Eigenmittel verfügten als nach der großen Inflation und nicht in so hohem Maße auf Bankkredite angewiesen waren.
Mit dem Vorhalt, die Creditanstalt habe gelegentlich der Fusion ihr Eigenkapital zu wenig erhöht, muß man allerdings vorsichtig sein. Die Inflation hatte große Vermögen zerstört, der Börsenkrach Reichtümer in nichts zerfließen lassen; die der Republik durch die Genfer Sanierung aufgezwungene restriktive Fiskalpolitik hatte das Wirtschaftswachstum in keiner Weise gefördert. Das Land litt nach wie vor unter einem drückenden Kapitalmangel. Und das Ausland hatte, nach den bitteren Erfahrungen der Aktionäre der Bodencreditanstalt, kein besonderes Interesse, Aktien einer anderen österreichischen Bank zu erwerben. Es bleibt daher dahingestellt, ob die Creditanstalt in der Lage gewesen wäre, ihr Aktienkapital stärker zu erhöhen, als sie es getan hat.
Aber wie dem auch sei: Das offenkundige Mißverhältnis zwischen ihrem Eigenkapital und den gewaltigen Aufgaben und Verpflichtungen, die die erweiterte Creditanstalt auf sich genommen hatte, trug zu ihrem späteren Zusammenbruch zweifellos bei
Mit der Fusion Creditanstalt-Bodencreditanstalt wurde ein weiterer bedeutungsvoller, und wie sich später erwies, folgenschwerer Schritt im Konzentrationsprozeß des österreichischen Bankensystems vollzogen. Der aus der Monarchie übernommene und vornehmlich in Wien konzentrierte Bankenapparat war für das kleine Österreich viel zu groß.
Ein systematischer Abbau durch freiwillige, zeitgerechte Fusionen wäre notwendig gewesen. Aber daran dachten die Leitungen der großen Kreditinstitute nicht. Niemand war bereit, einen ersten Schritt zu tun und Macht und Einfluß zu opfern. Im Gegenteil, die Inflation brachte eine Scheinkonjunktur und ließ den Bankenapparat ins Ungemessene anschwellen. Die Regierung förderte, wie gezeigt wurde, vorwiegend aus politischen Gründen diese verderbliche Entwicklung. Was dann kam, war ein völlig ungeordneter, äußerst verlustreicher Rückzug. Mit den Spekulations- und Schwindelgründungen der Inflationszeit wurden auch alte, angesehene Banken in den Abgrund gerissen. Der Schrumpfungsprozeß, der nun unter dem Motto »Rette sich wer kann« einsetzte, war planlos, von Zufällen abhängig und sehr verlustreich für die Banken selbst, für den Staat und die gesamte österreichische Wirtschaft.

Mit einem Bruchteil der Opfer, die die so herbeigeführte Konzentration und Verkleinerung des Bankenapparates kostete, hätte eine planvolle, zielbewußte Anpassung an die geänderten Verhältnisse herbeigeführt werden können. Aber wer hätte sie durchführen sollen? Die Regierungen mit ihren unfähigen Finanzministern Segur, Ahrer, Kollmann? Die Bankdirektoren, deren mangelnde Voraussicht und falsche Einschätzung der Entwicklung jeder einzelne Bankenzusammenbruch aufs neue offenbarte?

Verfassungsänderung

Trotz der katastrophalen Folgen des Zusammenbruchs der »Boden« setzten die Führer der Heimwehr ihre Drohungen, die Änderung der Verfassung mit der Waffe in der Hand zu erzwingen, fort. Die Kapitalflucht ins Ausland nahm immer größeren Umfang an. Zwischen Mitte September und Mitte November wurden der Nationalbank für rund 1600 Millionen Gold und Devisen entzogen – ein für die damalige Zeit außerordentlich hoher Betrag. Einem Teil jener Kräfte, die durch die Unterstützung der Heimwehren die Republik in diese gefährliche Situation gebracht hatten, wurde nun selbst angst und bang. Ende Oktober sprachen Vertreter der Nationalbank und der Privatbanken bei Bundeskanzler Schober vor und ersuchten ihn, die von den Heimwehren inspirierten Verfassungsentwürfe im Interesse der Wirtschaft zurückzuziehen30, Zu gleicher Zeit jedoch, am 25. Oktober, beschloß der Hauptverband der Industrie, auch in Zukunft der Heimwehr die regelmäßigen monatlichen Unterstützungen zu zahlen. Dazu bemerkte die ArbeiteT-Zeitung:

Die Industriellen werden also auch weiterhin die Spaten bezahlen, mit denen Bürgersöhne und Bauernburschen die Arbeiter niederschlagen, auch weiterhin den Faschisten Gewehre, Maschinengewehre und Handgranaten kaufen, auch weiterhin die Aufmärsche bezahlen, die die wirtschaftlichen Paniken erzeugen! So fördert der Hauptverband die Volkswirtschaft: den Arbeitsfrieden, die Arbeitsfreude der Arbeiter31!

Auch andere, höchst einflußreiche Vertreter des Großkapitals unterstützten die Führer des Austrofaschismus weiterhin finanziell und moralisch.

30 Neue Freie Presse, 5. Oktober 1930, S. 4 31 Ausgabe vom 31. Oktober 1929, S. 1